Prägung & Vervielfältigung eines offiziellen Porträts
Pompeius. Kopenhagen, NCG
Bildnisbüste Caesars
M. Licinius Crassus. Kopenhagen, NCG
In den Machtkämpfen der späten Römischen Republik zwischen Pompejus, Caesar und Crassus wurden auch Porträts eingesetzt. Zwar gab es auch schon früher Porträts von führenden Politikern, bei diesen handelte es sich jedoch um einzelne Ehrenstatuen, die nicht der Propaganda dienten. Erst die Bildnisse von Pompejus, Caesar und Crassus wurden von ihren Anhängern weiter verbreitet und erschienen auch auf Münzen. Diese Bildnisse wurden jeweils nach einem einzigen Entwurf vervielfältigt; so waren sie leicht wiederzuerkennen und prägten sich ein.
Pompejus, Caesar und Crassus waren schon reife Männer, als ihre Porträts in die Öffentlichkeit kamen. Von ihren Zeitgenossen wurde Alter nicht negativ gesehen, sondern stand für Weisheit und Erfahrung. Diese Werte wurden im öffentlichen Leben Roms hochgeschätzt. Die Lebenserfahrung, die sich in den Alterszügen der Politikergesichter ausdrückte, gehörte gewissermaßen zu ihrem politischen Programm. Nach der Ermordung Caesars an den Iden des März 44 v. Chr. brachen neue Machtkämpfe aus.
Bildnis Octavians
Octavian, der Adoptivsohn Caesars, war nicht einmal zwanzig Jahre alt, als er nach dessen Tod plötzlich einer der wichtigsten Politiker Roms wurde. In diesem jugendlichen Alter konnte er weder auf Erfahrungen noch auf Alterszüge bauen, sondern nur als Sohn Caesars auftreten. Sein politisches Programm musste daher auf andere Inhalte setzen. Nachdem Caesar durch Gesetz unter die Götter aufgenommen war, nannte sich Octavian divi filius (=Sohn des Vergöttlichten).
Die Bildnisse Octavians aus diesen Jahren zeigen ihn als energischen jugendlichen Helden. Die alten Politiker der späten Republik hatten Bürgerkriege geführt; Octavian setzte das Bild eines Neuanfangs mit einem jungen Herrscher dagegen.
In dieser Zeit wurde auch eine Weissagung öffentlich verbreitet, die ein Astrologe schon früh aus dem Horoskop des Caesarsohnes herausgelesen haben soll: Dieser Knabe würde einmal Rom beherrschen, und unter seiner Herrschaft würde es Frieden und Wohlstand für alle geben.
Augustus, Typus Prima Porta. Chiusi
Augustus, Octavians-Typus. Rom, Musei Capitol.
Nach dem Sieg im Bürgerkrieg 31 v. Chr. führte Octavian in Rom eine neue Ordnung ein. Zugleich wurde ein neues Bildnis verbreitet, das nun an die Stelle des Jugendporträts trat. Es brachte das veränderte Selbstverständnis des Prinzeps(lat. princeps), im Römischen Reich inoffizieller Titel des Augustus zur Kennzeichnung seiner Stellung in der von ihm geschaffenen Staatsform (Prinzipat). zum Ausdruck, der nun auch den Ehrentitel Augustus (=der Erhabene) trug.
Dieser neue Porträttypus unterscheidet sich durch seine harmonischen Züge von den knochigen und unregelmäßigen Formen seines Vorgängers. Der angestrengte Gesichtsausdruck ist einer ruhigen und erhabenen Mimik gewichen. Die hastig wirkende Kopfbewegung des Jugendbildnisses ist in eine zeitlose und distanzierte Würdehaltung überführt. Anstelle der heftig gesträubten Stirnhaare sind am neuen Porträt die Locken sorgfältig nach dem Prinzip von Bewegung und Gegenbewegung (KontrapostPrinzip der Figurengestaltung, durch das tragende und lastende, angespannte und entspannte Körperteile in ein harmonisch ausgewogenes Verhältnis gebracht werden, ablesbar besonders an der Unterscheidung von Stand- und Spielbein.) geordnet, eine Stilisierung, die Kunstwerken der griechischen Klassik abgeschaut ist.
Augustus, Typus Prima Porta. Vatikan
Statue des Doryphoros
Du gibst einem antiken Bildhauer nach dem Bürgerkrieg 31 v. Chr. den Auftrag, ein neues Bildnis des Augustus herzustellen. Notiere ihm vorab als Gedankenstütze die Merkmale, wodurch sich dieses neue Porträt von den alten Octavianbildnissen unterscheiden soll. Um dem Bildhauer einen besseren Überblick zu verschaffen, kannst du die Unterschiede zwischen den beiden Porträttypen auch in Form einer Tabelle (Octavian vs. Augustus) gegenüberstellen.